Polchow historisch – kleine Schul- und Ortschronik Polchow auf Rügen
Nach Aufzeichnungen von Gustav Klabunde
Im Dezember 1882 war die Inhaberin der hiesigen Schulstelle, Witwe Farnholz, gestorben und Gustav Klabunde wurde für die Stelle berufen. Am 27. Januar 1883 traf er in dem Orte ein und wurde am 30. Januar durch den damaligen Ortsschulinspektor Herrn Pastor Ockel aus Bobbin auf Rügen vereidigt. Der Kreisschulinspektor war Herr Superintendent von Sydow aus Altenkirchen auf Rügen.
Der Ort Polchow auf der Insel Rügen – Das Jahr 1883
Polchow auf Rügen hatte 1883 etwa 350 Einwohner, die sich mit Ackerbau, Schifffahrt und Fischerei beschäftigten. An Handwerkern waren vorhanden: 1 Müller und Bäcker namens Nietz; 2 Böttcher, Radvan und Will; 1 Stellmacher, Eichmann; 1 Tischler, Manfraß; 2 Kaufleute, Maaß und Möller; und zwei Fischhandlungen, Kroll und Salzsieder, versorgten die Einwohner mit den nötigen Lebensbedürfnissen. Die Fischhändler hatten auch zugleich Fischräuchereien. In der Hauptsache wurden die Flundern und Heringe zum Räuchern von Glowe auf Rügen geholt. Das Bollwerk vor dem Rachenberg bestand schon, es ist im Jahre 1887 erbaut. Hier legten die beiden Tourfahrer nach Stralsund, Laack und Rothsprach, mit ihren Segelschiffen an.
Ferner wurde hier eine große Menge Kreide in Kähne verladen, die nach Stettin segelten. Die Kreidefabrikanten mussten sämtliche Kreide auf wagen heranfahren, wodurch die Wege, besonders beim Gliedberg, oft unpassierbar wurden. Dieser Verkehr vor Polchow auf der Insel Rügen hat aufgehört, als der Pommersche Industrieverein den Hafen vor Neuhof anlegte. In den Sommermonaten verkehrte zwischen der Insel Rügen von Polchow aus der Dampfer „Herta“ regelmäßig nach Stralsund. Kapitän war Radvan, später dann Klickow.
Er fuhr morgens um 7 Uhr von Polchow ab und war abends um 7 Uhr wieder hier. Oft brachte er eine große Zahl Badegäste mit, die durch die hiesigen Fuhrleute nach ihrem Sommeraufenthalt Lohme, Stubbenkammer oder Sassnitz befördert wurden. Die Flaggen im Topp des Schiffes zeigten den Fuhrleuten rechtzeitig an, wie viel Wagen gewünscht wurden. Die „Herta“ stellte ihre Fahrten ein, als die Eisenbahn Bahn von Stralsund nach Saßnitz fertig wurde.
Polchow historisch – Die alte Dorfschule
Ein eigenes Schulhaus hatte Polchow auf Rügen im Jahre 1883 noch nicht . Die Schule war eingemietet in dem Haus Nr. 12. Der Besitzer war der frühere Schiffer Christoph Pews. Der Schulraum umfasste die beiden Zimmer rechts vom Eingang. Die Scherwand zwischen den beiden zimmern war zum größten teil entfernt, so dass ein Raum gebildet wurde. Meine Wohnung befand sich eine Treppe hoch auf dem östlichen Giebel und bestand aus einer kleinen Stube, in der ich nicht gerade stehen konnte und einer Abseite für das Holz. Die Ausstattung des Schulzimmers war mehr als mangelhaft. Anschauungs- und Lehrmittel waren überhaupt nicht vorhanden. An zwei tafelförmigen Tischen saßen die Kinder. Obgleich die Kinder der Oberstufe nach Bobbin zur Schule mussten, fanden doch auch die Kinder der Mittel- und Unterstufe nicht alle an beiden Tischen platz, so daß eine Anzahl Kinder auf Bänken an den Wänden herumsaß. Beim Schreiben und Rechnen hatten die Kinder ihre Tafeln auf den Knien oder lagen lang ausgestreckt auf dem Fußboden. Ein trostloser Anblick.
Was mich bei meiner Arbeit nicht verzagen ließ, war der in Aussicht genommene Neubau eines Schulhauses. Der Platz für die Kinder wurde knapper, als auch von Ostern 1883 ab die Kinder der Oberstufe in Polchow auf Rügen blieben. Die Zahl der Kinder am Beginn des neuen Schuljahres 1883 betrug 65 und zwar 33 Knaben und 32 Mädchen. Ein Abort für die Kinder war nicht vorhanden. Unter dem einen Fenster des Schulzimmers befand sich ein Erdhügel, auf dem die Kinder ihre Notdurft verrichteten. Es war ein sonderbarer Anblick, wenn die Kinder in den Pausen im Kreise um den Hügel saßen, die Gesichter nach außen, die Hinterteile dem Hügel zugewandt! Doch nicht mehr von diesem Urzustand.
Im Herbst 1883 begann endlich der Neubau des Schulhauses und wurde 1884 beendet. Im Herbst (Oktober) bezog ich das neue Schulhaus. Eine Einweihungsfeier fand leider nicht statt. In der ersten Unterrichtsstunde, die ich nach den Herbstferien in dem neuen Klassenzimmer gab, veranstaltete ich eine kurze Feier. Das Haus machte von außen einen stattlichen Eindruck, im innern war es nur mangelhaft ausgebaut. Der weitere Ausbau erfolgte erst allmählich auf Antrag des Stelleninhabers. Das Klassenzimmer wurde mit einer genügenden Anzahl von Subsellien versehen und allmählich folgte auch die weitere Ausstattung mit Lehrmitteln. Das helle, geräumige Klassenzimmer erleichterte die Schularbeit bedeutend, und so ging es mit der Schule vorwärts. Das Grundstück, auf dem das Schulhaus steht, wurde ursprünglich von dem Fürsten zu Putbus geschenkt, später von dem Schulverband Bobbin auf Rügen für 300 Mark käuflich erworben, weil er sonst kein Geld für die Bezahlung der Baukosten geborgt erhalten konnte.
Die Bausumme sollte nämlich von den Mitgliedern des Schulverbandes amortisiert werden. Das Haus stand sehr kahl auf dem früheren Ackerlande. Für eine verschönernde Umgebung hatte der Schulverband gar nichts getan, keinen Baum, keinen Strauch gepflanzt, auch für keine Befriedung des Gartens gesorgt. Daher hat der Stelleninhaber die Befriedung auf eigene Kosten hergestellt, auch jeden Baum und jeden Strauch, der im Garten wächst, mit eigener Hand gepflanzt. Zur Anlegung des kleinen Ziergartens vor dem Hause erteilte der Schulvorstand erst im Jahre 1892 die Erlaubnis; bis dahin war der Platz mit Gras bewachsen!
Polchow historisch – Die alte Dorfschule im Jahr 1884
Ostern 1884 wurde die Schule von Polchow von 75 Kindern besucht, nämlich 40 Knaben und 35 Mädchen. Die Schülerzahlwuchs und erreichte 1891 mit 111 Kindern , nämlich 55 Knaben und 56 Mädchen ihren Höhepunkt. Die Errichtung einer Halbtagsschule wurde zwar nicht direkt abgelehnt, aber der Lehrer wurde von dem Kreisschulinspektor und dem Regierungsschulrat ersucht, Ganztagsschule beizubehalten. Allmählich sank die Schülerzahl wieder und schwankte zwischen 80 und 89, sank auch bis unter 80 herab.
Nachstehende Übersicht zeigt die Schülerzahl in den Jahren 1889 – 1900:
Jahr Knaben Mädchen Summe
1889 44 34 78
1890 48 37 85
1891 55 56 111
1892 54 56 110
1893 57 41 98
1894 47 46 93
1895 43 38 81
1896 40 39 79
1897 45 45 90
1898 38 38 76
1899 32 36 68
1900 36 34 70
Polchow historisch – Die alte Dorfschule im Jahr 1889
Der Unterricht wurde regelmäßig erteilt. Im Jahre 1889 wurde der Lehrer vom 24.Juni bis 20. Juli zu einer militärischen Übung eingezogen. Lehrer Haberichter, Bobbin auf Rügen, vertrat durch Halbtagsunterricht. Am 6. Dezember 1889 übergab der Ortsschulinspektor Ockel das Bild Kaiser Wilhelm I. der Schule zu Polchow auf der Insel Rügen. Am 7. März starb der Pastor Ockel und wurde am 9. März beerdigt. Die Vertretung in der Ortsschulinspektion übernahm Pastor Gras, Bobbin, Ortsschulinspektor. Am 1. Januar 1919 wurde die Ortsschulinspektion abgeschafft.
Im Frühjahr 1890 herrschte im Orte eine schwere Scharlachepidemie, zum Glück verstarb nur ein Schulkind.
Übersicht der Schülerzahl in den Jahren 1901 – 1922 nach der Osteraufnahme:
Jahr Knaben Mädchen Summe
1901 37 36 73
1902 35 33 68
1903 44 32 76
1904 38 36 74
1905 38 29 76
1906 38 31 69
1907 37 29 66
1908 32 23 55
1909 40 23 63
1910 33 25 58
1911 31 21 52